Live ohne Satellit aus Israel
Von Ulrich Sahm
Die sexuellen Eskapaden des israelischen Staatspräsidenten Mosche Katzav haben bei n-tv fast unbemerkt Geschichte gemacht. Der Aufsager des Korrespondenten in Jerusalem zu dem Skandal in Israel war der erste erfolgreiche Probelauf mit einer live-Übertragung von Bild und Ton per Internet-Leitungen.
Schon vor zehn Jahren war n-tv ein Pionier mit der Fähigkeit, den Korrespondenten in Jerusalem innerhalb kürzester Zeit mit einem bewegten Bild sofort zu schalten. Ein Video-Conferencing Gerät vom Typ Venue 2000, wie es Ärzte und Geschäftsleute verwendeten, konnte 3 ISDN Leitungen zeitgleich verkoppeln und so mit 384 Kilobits die Sekunde ein Bild und den Ton in beide Richtungen verschicken. Die Qualität entsprach gewiss nicht einer Satellitenübertragung. Jede schnelle Bewegung wirkte verzerrt. Und die Pixel im Gesicht waren ein ungewohnter Anblick, an den sich die Zuschauer erst gewöhnten, als aus dem Irak-Krieg 2003 live-Bilder in schlechter Qualität aber mit großer Aktualität fest selbstverständlich wurden.
Um die schlechte Qualität zu kompensieren, wurde der Korrespondent nur als „Butterfly“, also wie ein Schmetterling im kleinen Bild gezeigt und neben ihm der Moderator im Studio. Die Methode hatte Vorteile, die sogar von CNN, damals der schnellste Nachrichtensender in der Welt, nicht geschlagen werden konnte. ARD und ZDF konnten da trotz größtem Aufwand nicht mithalten. Die ISDN-Schalte war im Vergleich zur Satellitenübertragung nicht nur extrem billig, denn sie kostete pro Minute nur ein sechsmaliges Auslandsgespräch. (Jede ISDN-Leitung hat bekanntlich zwei Kanäle). Die Geschwindigkeit, eine Verbingung aufzubauen, war unschlagbar. Es musste nichts koordiniert werden und kein Satellitenfenster im Voraus gemietet werden. Ein Knopfdruck reichte und schon wählte die Maschine eine vorprogrammierte Nummer beim Sender an. Die Vorbereitungen des Korrespondenten, Hemd überziehen, Schlips umbinden und kämmen, dauerten wesentlich länger. Und als die Verbindung stand, gab es noch einen entscheidenden Vorzug: Der Korrespondent sah das Bild, das gerade über den Sender ging. Das ist von entscheidender Bedeutung, wenn es darum geht, live-Einspielungen etwa des Begräbnisses von Arafat zu kommentieren.
Inzwischen entwickelte sich die Technologie weiter. Die zehn Jahre alte Venue 2000 wurde von n-tv durch ein neues Gerät vom Typ Polycom VSX7000 ausgetauscht. Dieses Gerät kann sogar vier ISDN zusammenkoppeln aber alternativ auch als „Webcam“ benutzt werden. Besonders nach dem Libanonkrieg, als die Telefonrechnung für die ISDN-Leitungen trotz extrem gesunkener Gesprächspreise schon wieder in die Tausenden ging, war es nur noch eine Milchmädchenrechnung, ob vielleicht eine garantierte Breitbandverbindung über Internetleitungen letztlich günstiger sei. So wurde beschlossen, eine synchrone DSL Leitung mit 2 Gigabite für das Hochladen zu bestellen. Die ist nicht ganz billig, aber schon zwei nahöstliche Großereignisse mit langen Berichtstrecken dürfte die Leitungskosten im Vergleich zu ISDN amortisieren.
Noch ist es nach einem ersten Test zu früh, über Pannen zu reden. Die Qualität des Bildes hat sich dank der fortgeschrittenen Algoritmen erheblich verbessert. Ob endgültig das Zeitalter der umständlichen Satellitenübertragungen der Vergangenheit angehört, wird sich erst noch erweisen müssen.
Markus Böhnisch hat mit seinem Einsatz in Israel zum Ende des Libanonkrieges bewiesen, dass mit richtiger Organisation und Technik auch das Übertragen von gefilmten Beiträgen per schnellen Internetleitungen keinen teuren und zeitraubenden Einsatz von Satelliten mehr notwenig macht.
Für das traditionelle Fernsehen hat so ein neues Zeitalter begonnen. n-tv sei gelobt dafür, die notwendige Flexibilität und einen Sinn für Innovation zu haben, um nicht nur Kosten zu sparen, sondern eben auch neue Technologien ohne Berührungsängste zu testen und sofort einzusetzen.