Wunsch und Wirklichkeit

Der „Journalist“ schreibt in seiner aktuellen Ausgabe über die verwerfliche Verwendung von Videomaterial, das von Unternehmen bereit gestellt wird. Durch die Bank setzen öffentlich-rechtliche und private Sender sowie Videoportale Material ein, das problem- und kostenlos von FTP-Servern herunter geladen werden kann.


Nun schreibt der Autor, das sei alles PR, müsse gekennzeichnet werden und sei verwerflich. Da stellt sich mir die Frage nach dem Warum? Welche Glaubwürdigkeit, welche Grundsätze werden verletzt? Wo setze ich meine Unabhängigkeit aufs Spiel, nur wenn ich für ein Thema diese Bilder verwende? Bilder eines Verlegeschiffes auf der Ostsee, Luftaufnahmen vom Jungfernflug eines Airbus oder das Abdichten eines Ölbohrlochs in der Tiefsee. Alles Situationen, die aus zeitlichen, logistischen oder technischen Gründen für Nachrichten oder kurze Magazinformate nicht selbst realisiert werden können.

Fernsehbilder sind oftmals sehr schwierig zu bekommen, viele Redaktionen (ör + p) haben entweder keine Zeit mehr oder kein Geld oder beides.  Das Thema wird doch erst zu einem Problem, wenn der im Text nur kurz angerissene Fall auftaucht, dass ich tatsächlich komplett gefakte Beiträge ins Programm hebe.  Doch wo ist meine journalistische Glaubwürdigkeit angekratzt, wenn ich über ein Thema berichte, über das ich erst durch diese kostenlosen Bilder berichten kann?

Als Videojournalist stehe ich Bild und Text im Moment der Produktion in der Tat sehr nahe, doch was ist mit dem Kollegen, der in der Redaktion sitzt, keine Kamera und auch keinen Kameramann verfügbar hat? Doch aufgrund einer Agenturmeldung soll er nun etwas über die Verlegung der Pipeline machen, schließlich haben die Zeitungen online ja schon einen Text da stehen. Da tauchen nun Bilder auf, vom Erbauer der Pipeline. Und? Er könnte jetzt einen Quellenhinweis einfügen. Damit sollte es dann aber auch erledigt sein. Fernsehen ist kein bebildertes Radio und auch keine bewegte Zeitung. Fernsehen ist anders, ist komplizierter, es ist dreidimensional. Solange die Informationen im Sprechertext stimmen, solange die Bilder echt sind, solange wird der Zuschauer nicht hinters Licht geführt. Solange ist es nicht relevant, ob ein Kamerateam für den Sender oder das Unternehmen gedreht hat. Niemand wird bestreiten, dass in einem Katastrophenfall nicht auf die Bilder von einem Unternehmen gesetzt wird, weil der Verdacht der Täuschung naheliegt. Doch solange Rohre verlegt werden und Flugzeuge fliegen, ist das nicht dramatisch. Aber selbst das berüchtigte Bohrloch im Golf von Mexiko wäre ohne die BP-Bilder unsichtbar. Also werden sie – zum Bebildern der Katastrophe – genutzt, zusätzlich zu denen der Sender und Agenturen über die Folgen der Ölpest. Ist das also auch verwerflich? Ist es verwerflich, dass sich Agenturen die Tatsache zu nutze machen und Bilder zu einem Thema anbieten, dass ohne Bilder keines wäre? Sobald Redaktionen auf diese Bilder anspringen, lassen sie sich vor einen Karren spannen. Doch das passiert mit gewöhnlichen Pressemitteilungen seit Jahrzehnten. Wo also fangen wir an zu kritisieren?


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